Die Unsachlichkeit radikaler Evolutionsvertreter |
Der Berliner Politologe und Wissenschaftsjournalist Benno Kirsch übt in der Dezemberausgabe 2007 von „Die Politische Meinung“ harte Kritik an radikalen Evolutionsvertretern. [1] Dem Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera und dem französischen Sozialisten Guy Lengagne wirft er Maßlosigkeit im Vorgehen gegen Kreationisten und ID-Vertretern vor. Es deute darauf hin, dass nicht Kreationisten problematisch seien, sondern manche Befürworter der im Grunde gut abgesicherten Evolutionstheorie. Indem sie die Evolution zu einer umfassenden Lehre machten, würden sie ihr einen unangemessen hohen Stellenwert als angebliche Garantin für Freiheit und Fortschritt geben. Der „Anti-Kreationismus“ von radikalen Evolutionsanhängern könne seine quasi-religiösen Strukturen kaum noch verstecken.
Der unsachliche Eifer, mit der die Evolutionslehre verteidigt wird, liegt vielleicht an dem Umstand, den Kirsch folgendermaßen beschreibt: „Das Problem der Anti-Kreationisten besteht darin, dass sie die Voraussetzungen ihres Denkens nicht einmal ansatzweise thematisiert haben. Sie halten sich für ‚objektiv’ und ignorieren, dass auch sie Kombattanten in einer weltanschaulichen Auseinandersetzung um die Deutung des Lebens sind.“ [2]
Verein ProGenesis, Kai-Uwe Kolrep, 20. Januar 2008
[1] Die Politische Meinung, Monatszeitschrift zu Fragen der Zeit, (12/2007) 457, 52. Jahrgang, Konrad-Adenauer-Stiftung
[2] Marburger Forum, Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart Jg. 8 (2007), Heft 4, Rezension zu Kutschera „Kreationismus in Deutschland“, 2007.
http://www.philosophia-online.de/mafo/rezensionen.htm
Hier einige Ergüsse aus den Werken des Politologen Benno Kirsch zu Glaubrecht, M. et al (2007): Als das Leben laufen lernte. Evolution in Aktion: Eine grundnüchterne Herangehensweise an die Frage nach dem Ursprung des Lebens ist nämlich dringend geboten, weil sie seit Darwins Lebzeiten immer aufs Neue zum öffentlichen und emotionsgeladenen Streitthema geworden ist. Dabei geht es nicht nur um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Glauben und Wissenschaft, sondern auch um Fragen von Leben und Tod: Ob man beispielsweise Abtreibung und Euthanasie befürwortet oder nicht, kann abgeleitet werden aus der Haltung zur Ursprungsfrage, wie Schmidt-Salomon in seinem „Mainfest des evolutionären Humanismus. Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur“ eindrucksvoll und furchteinflößend vorexerziert hat. Die Ursprungsfrage hat also Weiterungen, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.
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Wie sich nun aus einem Buntbarsch ein Vogel also der Artensprung, um den es im Kern bei jeder Auseinandersetzung um „Evolution“ geht entwickeln soll, bleibt allerdings unklar. Vor dem Hintergrund derartiger Begriffshudelei wirkt das von Kreationisten und ID-Forschern propagierte Grundtypenmodell geradezu plausibel.
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„Der Stil erhält die Schönheit vom Gedanken“, sagt Schopenhauer. „Ist doch der Stil der bloße Schattenriss des Gedankens: unordentlich oder schlecht schreiben, heißt, dumpf oder konfus denken.“ Welches Denken steckt hinter einer Formulierung wie dieser: „Die Jurakorallen waren also überaus experimentierfreudig, um möglichst viele Lebensräume besiedeln zu können.“ (S. 9) Kann man denn das überhaupt sagen: dass diese Jurakorallen „überaus experimentierfreudig“ waren? Haben sie verschiedene Optionen gewogen und schließlich nach gründlichem Nachdenken eine Entscheidung getroffen? Was ist weiterhin von der Wendung „… um … zu …“ zu halten? Sie ist verräterisch, offenbart die Denkungsart des Autors: Er gibt sich nicht damit zufrieden, die rezente Welt zu beschreiben und zu deuten. Das ist ein zentraler Fehler, im besten Fall ein Missverständnis, denn die Natur kennt keine Motive, keine Moral, hat keine Ziele. Wenn man Evolution „erklären“ möchte, schwingt immer die Gefahr einer Rechtfertigung mit in diesem Fall die Rechtfertigung menschengedachter, auf die Natur projizierter Ideologien, weil die Natur selbst ja keine hat.
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Aber ist die verbreitete Abneigung gegenüber der Evolutionstheorie angesichts der gebetsmühlenartig vorgetragenen Behauptung, dass der Mensch keine Sonderstellung in der Welt innehabe, nicht sogar verständlich?
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Summa summarum ist eine zumindest zwiespältige Bilanz zu ziehen. Einerseits macht die Ausstattung des Buches Freude, und sicherlich haben Koryphäen wertvolle Beiträge geliefert. Leider beschränken sie sich nicht auf das, was sie am besten können, sondern sie wollen mehr: die Welt erklären, den Sinn des Lebens herausfinden. Dagegen ist im Grundsatz nichts einzuwenden, hat doch jeder das Recht auf eine eigene Meinung. Allerdings treten sie ausdrücklich als Wissenschaftler in Erscheinung, als Repräsentanten einer bedeutenden Forschungseinrichtung. Und in dieser Funktion begehen sie eine Grenzüberschreitung, und dass sie sie systematisch begehen, merkt man den Artikeln auch an. Dabei gerieren sie sich wie so viele Evolutionsbiologen, womöglich von ihnen selbst unbemerkt , als handele es sich bei ihren Meinungsäußerungen um die letzte wissenschaftliche Instanz. Dass ihnen durch ihre Selbstgewissheit die Wissenschaftlichkeit abhanden kommt, das bemerken sie dabei nicht.
Den Autoren ist teils ausgesprochen daran gelegen, den Menschen zu entwerten; auf der Basis ihrer naturalistischen Weltanschauung weisen sie ihm einen Platz neben den Tieren zu, entthronen ihn. Es stimmt schon: Darwins Theorie vom Ursprung der Arten ist, wenn sie wahr wäre, eine Demütigung, und die Autoren tun alles dafür, sie für wahr auszugeben. Dass sie sich damit auf ein gefährliches Terrain begeben, bemerken sie nicht. Wie andere Vertreter ihres Faches auch dekonstruieren sie damit nämlich auch Menschenrechte, Zivilisiertheit und Humanität, ohne auch nur die Andeutung einer Antwort auf die Frage zu geben, durch was sie ersetzt werden könnten. Das Bedrohliche an Büchern wie „Als das Leben laufen lernte“ ist, dass steter Tropfen den Stein höhlt.
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